Digitale Identität - Art. 11 I S. 1 BayDiG-E

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Digitale Identität - Art. 11 I S. 1 BayDiG-E

„Jede natürliche Person hat nach Maßgabe dieses Artikels ein Recht auf digitale Identität.“ So steht es in Artikel 11 I S. 1 BayDiG-E, der der Gesetzesbegründung zufolge eine Schlüsselnorm des bayrischen Digitalgesetzes darstellt. Der Inhalt dieses Rechts wird dabei jedoch im Gesetzestext nicht abschließend definiert, sondern nur funktional konkretisiert. Sie soll dabei nicht nur die digitale Kommunikation mit Behörden und die Abwicklung digitaler Verwaltungsverfahren umfassen, sondern auch die Speicherung und Nutzung amtlicher Dokumente und Nachweise ermöglichen. In Absatz 2 wird im Anschluss für die technische Umsetzung auf die Regelungen über das Nutzerkonto und andere Dienste in Art. 29 bis 31 verwiesen. Absatz 3 statuiert umfassende Rechte des Nutzers zur Einrichtung, Zugriff und Löschung seiner digitalen Identität und richtet eine Aufsicht durch den Landesbeauftragten für den Datenschutz ein. Schließlich wird in Absatz 4 klargestellt, dass die digitale Identität und alle darin enthaltenen Dokumente dem Nutzer zuzurechnen sind und deswegen nur im Rahmen strafprozessualer Vorschriften ohne Zustimmung des Nutzers auf diese zugegriffen werden darf.

Der Verzicht auf eine abschließende Definition erklärt sich, wenn man die Gesetzesbegründung hinzuzieht. Demnach wurde „im Interesse der Entwicklungsoffenheit“ auf eine abschließende Definition verzichtet. Der Entwurf will dadurch verhindern, dass durch eine zu enge Definition zukünftige technische Entwicklungen verhindert werden. Das Recht der digitalen Identität soll dabei dauerhaft, verwaltungsbezogen und selbstbestimmt sein. Es ist dabei dauerhaft, indem nicht nur einzelne Handlungen umfasst sind, sondern eine auf Dauer ausgelegte Behördenkommunikation, die dauerhaft Speicherung von Informationen und lebenslange Bereitstellung von staatlichen Diensten gewährt wird. Durch seine explizite Bindung an das Verhältnis von Bürger und Verwaltung und den damit zusammenhängenden Vorgängen ist es zugleich verwaltungsbezogen. Schließlich ist es vom Prinzip der Selbstbestimmtheit geprägt, d.h. der Nutzer kann jederzeit über seine Daten verfügen, diese speichern, nutzen, über ihre Weitergabe entscheiden oder löschen.

Der Begriff der digitalen Identität i.S.d. BayDiG-E unterscheidet sich dabei von bereits bekannten (rechtlichen) Begriffsverständnissen der digitalen Identität, insbesondere dem Begriff der „digitalen Identifizierung“, wie er in der europäischen eIDAS-Verordnung und dem deutschen Personalausweisgesetz vorkommt. Dieser bezieht sich auf den eindeutigen digitalen Nachweis über die Identität einer Person, vergleichbar mit einem digitalen Personalausweis, und beschränkt sich deswegen auf einen kleinen, aussagekräftigen Satz an Identitätsdaten (z.B. Name, Geburtsdatum etc.). Demgegenüber umfasst die digitale Identität des BayDiG-E wesentlich mehr, nämlich sämtliche personenbezogenen Daten, die im Rahmen des Verhältnisses von Bürger und Verwaltung entstehen und gespeichert werden. Er ähnelt somit mehr dem Begriff der digitalen Identität, wie er etwa in Rahmen sozialer Netzwerke verwendet wird, nämlich die Gesamtheit der digitalen gespeicherten, personenbezogenen Daten einer Person.

Doch genau von diesem Begriffsverständnis setzt sich der Gesetzesentwurf ausdrücklich ab, indem festlegt, dass der Anwender „Herr seiner Daten“ bleiben muss. Hier kommt das zuvor angesprochenen Prinzip der Selbstbestimmtheit zum Ausdruck, in dem einer der wesentlichen Besonderheiten des Entwurfs der digitalen Identität liegt. Gerade im Zusammenhang mit den technischen Regelungen des Art. 29 bis 31 wird deutlich, dass die digitale Identität der vollständigen Kontrolle des Nutzers unterliegen soll. Ihre Nutzung ist freiwillig, der Nutzer kann sie jederzeit löschen und hat zugleich die volle Kontrolle darüber, welche Daten über ihn gespeichert werden und ob diese weitergegeben werden. Dies stellt eine der großen Chancen des Rechts der digitalen Identität dar, nimmt der Entwurf hier doch eine klare Vorreiterrolle in bewusster Abkehr von bestehenden Konzepten der „Datenausbeutung“ ein, indem er dem Nutzer die Kontrolle über seine Daten zurückgibt.

Die Konzeption des Artikel 11 entwickelt dabei eine Besonderheit des bayrischen Rechts fort, nämlich die Einräumung subjektiver Rechte auf digitale Verwaltung. Schon Art. 2 S. 1 BayEGovG statuiert das Recht des Einzelnen auf digitale Kommunikation mit den Behörden (als einziges E-Government Gesetz). Art. 11 BayDiG-E dehnt dieses Recht jetzt umfassend auch auf die Bereitstellung verschiedenen staatlicher Dienste aus. Es bleibt abzuwarten, inwiefern die tatsächliche Bereitstellung dieser Dienste der Rechtsgewährung folgen wird. Die offene Definition des Art. 11 I wird zwar für eine große technische Flexibilität, jedoch auch für eine gewisse Unsicherheit bezüglich des Inhalts des Rechts der digitalen Identität sorgen. Hier wird es Aufgabe der Rechtswissenschaften sein, eine rechtliche Konkretisierung des Rechts auf digitale Identität zu schaffen. Anhaltspunkt hierfür könnte der Verweis des Art. 11 II BayDiG-E auf Art. 29 bis 31 sein, die einen gewissen „Kern“ der digitalen Identität beschreiben.

Insgesamt ist die Konzeption des Begriffs der digitalen Identität in Art. 11 BayDiG-E äußerst begrüßenswert und könnte sich als wegweisend erweisen. Insbesondere seine Orientierung am Prinzip des selbstbestimmten Nutzers und dessen Kontrolle über seine Daten ist bemerkenswert. Inwieweit das tatsächliche Angebot staatlicher Dienste mit der umfassenden Rechtsgewährung Schritt halten kann, bleibt abzuwarten, ebenso wie die konkrete Ausgestaltung des Rechts selbst. Eine Regelung zur Portierung der digitalen Identität in Systeme anderer Länder wäre perspektivisch wünschenswert gewesen, wäre aber wahrscheinlich aufgrund der Vorreiterrolle des BayDiG zunächst nur eine politische Absichtserklärung gewesen.

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