1. Bedeutung und allgemeine Einordnung des Artikels
Das am 20. Juli im Jahr 2022 vom bayerischen Landtag beschlossene Digitalgesetz beinhaltet im Kapitel 2 (Art. 8-15) Digitale Rechte und Dienstleistungen. Dort wird in Art. 8 das Recht der Bürger und Bürgerinnen, sowie der Unternehmen zu freiem Zugang zum Internet artikuliert. Der Zugang zum Internet sollte generell in Übereinstimmungen mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und insbesondere mit Artikel 19 bestehen. Hiernach wird Jedem, das Recht auf freie Meinung und Äußerung zugeschrieben und die Möglichkeit eingeräumt, ohne Einmischung von außen eine eigene Meinung zu besitzen. Ebenso diese nach Informationen und Gedanken in jedem Medium, Grenzen unabhängig zu suchen, sie zu erhalten und sie mitzuteilen. Da das Internet und dessen freier Zugang zur Nutzung, beim heutigen Stand der Digitalisierung als Voraussetzung für die wirksame, umfassende Wahrnehmung nahezu aller Grundrechte verstanden wird, schafft die weltweite Vernetzung durch das Internet ein solches Medium.
2. Gesetzesbegründung und Umsetzung der Begriffe
Der oben genannte Artikel dient als einfaches, gesetzliches Abwehrrecht von Bürgerinnen und Bürgern, welches subjektive Ansprüche und objektive Gewährleistungen mit sich bringt. So sind Abwehrrechte gegen staatliche Informationssperren mitinbegriffen und Pflichten des Staates gegenüber der Bevölkerung gemeint. Um den Artikel und die daraus folgenden Rechte der Bürgerinnen und Bürger genau zu kennen, wird nun jeder Gesetzessatz durchleuchtet.
Satz 1 räumt jedem, also jeder Person aber auch jeder juristischen Person wie z.B. einem Unternehmen, das Recht auf freien Zugang zum Internet über allgemein zugängliche Netze ein. Der Gesetzesbegründung zu Folge, stellt die Formulierung „über allgemein zugängliche Netze“ zugleich klar, dass sich das Recht nur im Rahmen vorhandener Infrastrukturen entfalten kann. Wichtig bei Betrachtung des Begriffes „freier Zugang“, ist die Differenzierung zu kostenfreiem Zugang. Das BayDiG sieht einen Leistungsanspruch auf Internetzugang nicht vor, vielmehr ist es als Pflicht des Land Bayerns zu verstehen, eine funktionierende und umfangreiche Infrastruktur zu gewährleisten. Durch Schaffung solcher Rahmenbedingungen, soll es den bayrischen Bürgern ermöglicht werden, auf ein stabiles, funktionierendes und den Ansprüchen des Alltags genügendes Internet zurückgreifen zu können. Gemeint ist hiermit ein Recht auf Versorgung, welches das Mindestangebot an Sprachkommunikationsdienste abdecken und durch einen schnellen Internetzugangsdienst eine angemessene soziale und wirtschaftliche Teilhabe ermöglichen soll.
Der zweite Satz des Artikels weist auf die Beschränkungsmöglichkeiten des Zugangs zum Internet durch einfache Gesetzesvorbehalte hin. Mit der Formulierung „durch Gesetze“ ist die Einschränkung durch ein selbstvollziehendes formelles Gesetz gemeint. Das ist der Fall, wenn das Gesetz selbst Rechte und Pflichten begründet. Ein Beispiel wäre die Verpackungsordnung, welche verschiedene Pflichten für die Bürger durch die Erhebung von Dosenpfand statuiert. „Aufgrund eines Gesetzes“ bezieht sich hingegen auf die Zulässigkeit von Eingriffen, welche auf ein formelles Gesetz gestützt sind. Demzufolge bleiben normierte Zugangsbeschränkungen von der Vorschrift unberührt. Gemeint sind hiermit Restriktionen in öffentlichen Einrichtungen, wie z.B. in Schulen, und für Minderjährige. Gleiches gilt für vorrangige Regelungen des Bundesrechts. Eine klare Abgrenzung zu allgemein staatlichen Internetzugangsblockaden wird in Satz 3 betont. Demnach sind solche immensen Einschränkungen unzulässig. Generelle Verbote des Zugangs zum Internet gegen einzelne Personen oder Personengruppen, wie es zum Beispiel im Iran, in Russland, China und vielen weiteren zentralasiatischen Ländern gehandhabt wird, sind dementsprechend illegitim.
3. Vergleich zu Art. 5 GG
Der Artikel 5 des Grundgesetzes handelt von der Meinungsfreiheit. Nach Art. 5 I 1 HS.2 hat jeder das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verarbeiten, sowie sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Aufgrund der Existenz von Art. 5 GG ist die Frage berechtigt, inwiefern Art. 8 BayDiG überhaupt notwendig ist. Das Grundgesetz steht über alle anderen Gesetze (Bund vor Länder), deshalb wird die Notwendigkeit von Art. 8 BayDiG im Folgenden näher beleuchtet. Obwohl der Inhalt, bezüglich des freien Zugangs zu Internet Quellen (Art. 5 GG) bzw. allgemeinen Netzen (Art. 8 BayDiG) ähnlich ist, spricht Art. 8 BayDiG noch expliziter über den freien Zugang zum Internet. In Abgrenzung zu Art. 5 GG verschafft dieser Artikel den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern das Recht, das Internet über die freie Meinungsäußerung und dem Aspekt des Lernens hinaus zu nutzen. Er beruft sich besonders auf den freien Zugang zum Internet und erklärt allgemeine Internetzugangsblockaden für rechtlich unzulässig.
4. Herausforderungen und Kritikpunkte
Durch diesen Artikel des BayDiG bekommt die Bevölkerung Bayerns das explizit festgeschriebene Anrecht auf einen freien Zugang zum Internet. Neben einer Bewusstseinssteigerung der Bürgerinnen und Bürger bezüglich des geltenden Rechts werden auch staatliche Grenzen aufgezeigt. In verschiedenen Stellungsnahmen zum uneingeschränkt freien Internetzugang, in welchem der Staat durch allgemeine Zugangsblockaden nicht aktiv eingreifen darf, gibt es jedoch auch kritische Stimmen.
Der Verbund Hochschule Bayern e.V., der die Interessen der bayerischen Hochschulen für angewandte Wissenschaften vertritt, sowie Universität Bayern e.V. plädieren jedoch trotzdem für gewisse Sperren im Bereich der hochschuleigenen WLAN-Versorgung. Denn angesichts des gestiegenen Bedrohungspotentials sollte das Blockieren von Phising- oder Malwareseiten nicht erschwert werden. Einschränkungen hierbei sind jedoch gut verträglich, denn Universitäten und Hochschulen bieten in erster Linie den Zugang zum Internet für bestimmte Zwecke. Diese sind das freie Lehren und Forschen. Deshalb darf der Zugang zu gewissen Seiten über das hochschuleigene WLAN begrenzt werden. Ein weiteres wichtiges Anliegen besteht auf Seiten der Verbraucherzentrale Bayern. Um in der heutigen Zeit am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teilhaben zu können, ist der Zugang zum Internet, wie bereits erwähnt, unerlässlich. Deshalb sollten gleichzeitig digitale Verbraucherrechte gestärkt werden und in entsprechenden Gesetzen ihre Berechtigung erlangen.
Ein weiterer Kritikpunkt könnte sein, dass Artikel 8 Satz 2 die Möglichkeit einer verhältnismäßig einfachen Einschränkung erlaubt. Somit besteht bezüglich des Zugangs zum Internet kein Verfassungsrang. Dies begründet der Gesetzgeber zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der hohen Dynamik des Sachbereichs, weshalb auf eine verfassungsrechtliche Regelung bewusst verzichtet wird. Des Weiteren wird bemängelt, dass durch die Formulierung „über allgemein zugängliche Netze“ der Umfang dieses Rechts auf vorhandene Infrastruktur reduziert wird. Das Recht auf freien Zugang ist somit für viele Bürgerinnen und Bürger nur begrenzt nützlich. In vielen, vor allem ländlichen Gegenden, gibt es Stand 2019 reichlich unzureichende Internetversorgung. Eine Marktbeobachtung der Verbraucherzentrale stellte fest, dass deutschlandweit jeder Dritte erhebliche Probleme mit seinem vorhandenen Internetanschluss hat. All diese Herausforderungen müssen weiterhin angegangen werden, sodass sich Artikel 8 in seinem gesamten Umfang entfalten und für Gleichberechtigung sorgen kann.
5. Fazit und Bewertung
Abschließend lässt sich resümieren, dass dieser Artikel keinerlei Leistungsansprüche wie etwa die Bereitstellung von Internetzugangsinfrastrukturen (Breitband, Mobilfunk) oder sonstige Hard- oder Softwaredienste zur technischen Vermittlung des Internetzugangs dezidiert. Begründet wird dies durch das reine Abwehrrecht als welches Artikel 8 zu verstehen ist.
Alle möglichen Regelungen aus diesem Bereich obliegen mit Hinblick auf die Kompetenzverteilung im Telekommunikationsrecht ohnehin ausschließlich dem Bundesgesetzgeber. Die Hoheit des Freistaates Bayern bezieht sich deshalb nicht auf den technischen Aspekt des Internets, sondern auf die Regulierung des Internets durch das Blockieren der digitalen Nutzung des World Wide Webs. Artikel 8 über den freien Zugang zum Internet, soll für die Bürgerinnen und Bürger primär die einklagbare Möglichkeit geben, sich auf ihr Recht zu berufen. Da das Internet viel zur eigenen Meinungsbildung und zu weiteren Grundkompetenzen beiträgt, darf niemand aktiv daran gehindert bzw. ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund ist auch eine spätere Verfassungsänderung angedacht.